VORBEUGENDER BRANDSCHUTZ Ein aktuelles Beispiel: Im VB-Netzwerk kam die Frage auf, wie mit einer Kältemittelleitung zu verfahren ist, die über eine Brandwand geführt wurde. Es handelt sich um eine Stahlleitung mit nicht brennbarer Dämmung, in der auch Antifrogen (Flammpunkt 119°C, ASTM D 6450) geführt wird. Ist das zulässig? Seitens der Community wurden verschiedene Ansätze diskutiert und umfangreiche Erfahrungen ausgetauscht. Gemäß BbBO vom 15. November 2018 – zuletzt geändert durch Gesetz vom 28. September 2023 – gilt: „Bauteile mit brennbaren Baustoffen dürfen über Brand- wände nicht hinweggeführt werden“. Hilft es, eine Brandwand ein Stück aufzubauen, damit die Leitung durch dieses Wandstück geführt werden kann, um die Leitung ordnungsge- mäß zu schotten? Oder kann eine „Brandschutzbandage“ eingesetzt werden, mit der die Leitung vor und hinter der Brandwand eingewickelt wird? Es existieren Systeme, die für diesen Anwendungsfall geprüft wurden, aber keine bauaufsichtliche Zulassung haben. Vielleicht sollte man das Thema auch noch mal ganz anders betrach- ten? Ist die Rohrleitung an sich überhaupt ein Bauteil? Ein Bauteil im Bauwesen ist eine geometrisch oder funktionell zusammenhängende Fläche oder ein Körper, die einen einheitlichen Aufbau und eine Konstruktion aufweisen, wie zum Beispiel Wände, Stützen, Decken (siehe beispielsweise auch Anlage 3 der Energiesparverordnung). Die Rohrleitung ist also im baurechtlichen Sinne kein Bauteil, sondern eher eine technische Anlage. Unbestritten ist jedoch, dass eine Brandweiterleitung über die Brandabschnittsgrenze verhindert werden soll. Es stellt sich also die Frage, wie diese Leitung gegen Brandbean- spruchung von außen geschützt oder eine Brandbeanspruchung von außen verhindert werden kann. Außerdem muss darüber nachgedacht werden, ein automatisches Abschaltsystem vorzusehen, welches einen Medientransport bei Brandalarm unterbrechen kann. Und letztendlich gilt es auch noch zu bedenken, dass Antifrogen nur als Wassergemisch eingesetzt werden kann (siehe Datenblatt). Daher wäre die gewünsch- te Konzentration interessant – und damit verbunden die Frage, ob es in dieser Konzentration überhaupt brennbar ist. Als Basis für den Frostschutz von Antifrogen N dient Ethylenglykol. Der Frostschutz ist abhängig vom Mischungsverhältnis mit Wasser: Antifrogen N in Wasser Gefrierpunkt (ASTM D 1177) Stockpunkt (DIN EN 23015) Dichte, 20 °C (DIN 51757) nD20 (DIN 51423) 20 % v/v 25 % v/v 30 % v/v 35 % v/v 40 % v/v 45 % v/v 50 % v/v 55 % v/v 60 % v/v -9 °C -12 °C -16 °C -20 °C -25 °C -31 °C -37 °C -45 °C -53 °C ca. -13 °C ca. -17 °C ca. -21 °C ca. -26 °C ca. -31 °C ca. -36 °C ca. -44 °C < -50 °C < -50 °C 1.028 g/cm3 1.355 1.035 g/cm3 1.360 1.042 g/cm3 1.365 1.049 g/cm3 1.371 1.056 g/cm3 1.376 1.063 g/cm3 1.381 1.069 g/cm3 1.387 1.075 g/cm3 1.392 1.081 g/cm3 1.397 Das Beispiel zeigt, dass es oft nicht die eine richtige Lösung gibt, sondern dass eine ingenieurmäßige Betrachtung erforderlich ist. Die Diskussion im Netzwerk hilft vielfach, um für diverse Problemstellungen, mit denen wir konfrontiert werden, Lösungen zu finden. Weitere aktuelle Themen: Immer wieder werden in Brandschutznachweisen (BSK und Bauvorla- gen) Bauteilqualitäten nach europäischer Norm (z. B. EI90) oder nach deutscher Norm DIN 4102 (T90-RS) angegeben. Sinnvoller ist es die Anforderungen aus der geltenden Bauordnung (feuerhemmend, feuerbeständig, rauchdicht…) in diese Dokumente zu schreiben, weil man sich dann nicht auf entsprechende Zulassungen beschränkt. Interessant für alle Brandschützer, die auch mal über den deutschen Tellerrand hinausschauen wollen und Ideen aus unseren Nachbar- ländern suchen, ist das Projekt Fokus BSV 2026. Die Schweiz hat beschlossen, das Baurecht zu harmonisieren und für das ganze Land in einem Dokument verbindlich festzulegen. Informationen zu dem Projekt findet man hier: Projekt BSV 2026 (bsvonline.ch) Gebäude sollen immer nachhaltiger werden! Somit kommen nicht nur mögliche Risiken des Holzbaus und der PV- Anlagen auf Dächern oder Fassaden als wachsende Herausforderungen auf den Brandschutz zu, sondern auch die Themen der Fassadenbegrünung. Hier ist besonders wichtig, auf die Art des Fassadenbegrünungssystems zu achten. Unterschieden wird zwischen bodengebundenen Systemen (Gerüst- kletterpflanzen) und fassadengebundenen Systemen (LivingWalls, Trogbegrünung). Für die Gerüstkletterpflanzen liegen nun die Ergebnis- se der ersten Brandversuche vor: Bei bestimmten Randbedingungen (Pflegezustand) erweist sich diese Art der Begrünung als sehr positiv im Sinne des Brandschutzes. Bei den Living Walls, die auch als hin- terlüftete Fassade zu verstehen sind, sind die baurechtlichen Anforde- rungen noch nicht richtig spezifiziert, und man befindet sich vermutlich noch in einer Einzelfallentscheidung. An dieser Stelle sei auch auf das Arbeitspapier der AGBF „Brandschutz großflächig begrünter Fassaden“ hingewiesen. Beim Bau von PV-Anlagen auf Industriedächern mit baurechtlich erforderlichen Rauch- und Wärmeabzügen muss darauf geachtet werden, dass die aerodynamisch wirksame Öffnungsfläche des Gerätes nicht negativ durch die Aufbauten der PV-Anlage beeinflusst wird. Hier muss auf die Einbauvorschriften der Rauchabzugsgeräte geachtet werden. Auch die VDS-Vorschriften 2098 und 3145 machen klare Vorgaben hinsichtlich der erforderlichen Abstände. UNSERE PROGNOSE FÜR 2024: Wir beteiligen uns weiterhin in diversen Fachgruppen und Gremien, und wir werden wieder viele spannende Themen im Fachbereich bearbeiten. Der fachliche Austausch und das Teilen von Erfahrungen im Netzwerk sind uns sehr wichtig. Wir treffen uns zweimal im Jahr, wobei ein Treffen jeweils bei einem Kollegen vor Ort und das zweite Treffen online via Teams stattfindet. Wer Interesse hat, Teil unseres Exper- tenkreises zu werden, kann sich gerne melden. DAS TEAM VB WÜNSCHT EUCH ALLEN EINEN GUTEN UND SICHEREN ÜBERGANG INS NEUE JAHR! 61